Pas de Deux - Tanz der Unterwerfung

Céleste ist Schülerin an der weltbekannten École Nationale de Danse in Paris und will Primaballerina werden. Auf Anraten ihres Tanzpartners wendet sie sich an den Ballettmeister und ehemaligen Startänzer Sergej Ducollet. Trotz Sergejs anfänglicher Ablehnung schafft sie es, dass er sie als seine Privatschülerin akzeptiert und sie sogar bei sich wohnen lässt.
Seine Anforderungen an Célestes tänzerischen Können treiben sie an ihre emotionalen und körperlichen Grenzen und verlangen ihr größte Hingabe und Gehorsam ab.
Sergej umgibt sich jedoch mit einem düsteren Geheimnis und hält sie auf Distanz. Die devote Céleste, die auch Sergejs Ruf als gnadenlosen Dom kennt, träumt längst davon, nicht nur seine Schülerin, sondern auch seine lustvolle Sklavin zu sein - und so schrecken sie weder das ihn umgebende Geheimnis noch seine Härte ab.
Wird es ihr gelingen, Sergejs Gefühlskälte zu durchbrechen und sich ihm ganz und gar unterwerfen zu dürfen?

Leseprobe

 

Céleste nahm den Fuß von der Stange. Mit geschlossenen Beinen stellte sie sich vor einen Spiegel und rollte Wirbel für Wirbel den Rücken nach unten hin ab. Immer tiefer, bis ihre Hände den Boden berührten und flach neben den Füßen auflagen. Wieder hatte sie das Gefühl, jemand beobachtete sie. Konnte es sein, dass Sergej ihr auf den Hintern starrte? Mit einem heimlichen Blick in die seitlichen Spiegel stellte sie fest, dass er im Eingang zum Übungsraum stand. Also hatte sie sich nicht getäuscht! Sie bekam eine Gänsehaut. Sich nichts anmerken lassend, richtete sie sich genauso langsam und kontrolliert wieder auf, wie sie sich zuvor hinabgebeugt hatte. Sie streckte die Arme hoch über den Kopf und lockerte abschließend alle Muskeln, bevor sie sich umdrehte.

 Sergej stand lässig in der Tür, die Schultern an den Rahmen gelehnt. Er musterte sie versonnen – als würde er vor sich hin träumen. Als wäre sie ein Teil dieses Traumes. Ob ihm wohl klar war, was er bei ihr anrichtete, wenn er sie so ansah? Ein Schauer rieselte durch sie hindurch und ein süßes Ziehen breitete sich in ihrem Bauch aus. Céleste atmete tief ein, um sich ihre Erregung nicht anmerken zu lassen. Dabei hätte sie sich am liebsten vor ihn hingekniet, zu ihm aufgeschaut, ihm erst die Hose heruntergestreift und sich dann seinen Penis in den Mund geschoben. Himmel! Es war so lange her! Sie hatte schon ganz vergessen, wie sich das anfühlte. Ihr Körper sehnte sich so sehr danach, dass allein der Gedanke daran ein eindringliches Pochen in ihrem Schoß hervorrief.

 Sergej stieß sich mit den Schultern am Türrahmen ab. Er kam auf sie zu. „Wir üben heute ausschließlich Penchés und Arabesques.“ Er überreichte ihr ein elastisches Gummiband. „Geh an die Stange.“

 Céleste stellte sich seitlich parallel zur Stange auf. Das Deuserband, das er ihr gegeben hatte, wickelte sie sich zweimal um die rechte Schulter und zweimal um den linken Fuß. Sie legte die rechte Hand an die Stange, platzierte den rechten Fuß im rechten Winkel dazu und streckte das linke Bein nach hinten, sodass das Band sich spannte. Ihre Schenkel bildeten einen Winkel von neunzig Grad.

 Sergej trat neben sie, überprüfte ihre Haltung. Er legte die Hand auf ihre Hüfte, fuhr mit ihr über die Oberschenkel bis zum Knöchel. Sie biss sich auf die Lippen. Ihr Puls schnellte in die Höhe. Seine Berührung war die reine Elektrizität. Sie wünschte sich so viel mehr von ihm – und doch waren diese spärlichen Berührungen während des Trainings alles, was sie von ihm erwarten durfte. Es waren winzige Tröpfchen, die ihren Durst niemals stillen konnten und nach denen sie sich verzehrte.

 „Gut so“, sagte er und nahm die Hand weg. „Jetzt beug dich nach vorn.“

 Céleste tat, was er verlangte. In einer gleichmäßigen Bewegung beugte sie den Oberkörper. Das linke Bein hielt sie auf Spannung, streckte es immer höher, bis sie ein schmerzhaftes Ziehen in der Leiste spürte. Dabei drehte sie ihr Becken Sergej entgegen, den Blick geradeaus gerichtet. Hätte sie den Kopf zur Seite gedreht, ihr Mund hätte sich genau auf Höhe seines Geschlechts befunden. Verflucht! Warum dachte sie jetzt an so etwas? Die Folge war ein zartes Zucken, das ihren Unterleib lustvoll zusammenkrampfen ließ.

 „Schau in den Spiegel“, befahl er.

 Céleste drehte den Kopf zur Seite. Sergej hatte sich so neben sie gestellt, dass sie ihre Haltung im Spiegel vollständig betrachten konnte. Er berührte ihren rechten Oberschenkel – aus dem leichten Zucken wurde ein prickelndes Ziehen.

 „Siehst du das hier?“, fragte er und fuhr die Kontur ihres Schenkels in der Luft mit dem Finger nach. Er glitt, ohne sie zu berühren, an der Scham vorbei zu dem gestreckten Bein.

 „Dieser Winkel muss vollkommen gerade sein.“

 „Das ist er doch“, entgegnete sie so ruhig wie möglich unter den gegebenen Umständen.

 „Ist er nicht!“, beharrte er. Sie sah ihn skeptisch an. „Ich werde es dir beweisen!“, sagte er, als habe sie ihm laut widersprochen. Sergej holte einen Holzstab und hielt ihn an ihren Schenkel. „Siehst du das? Dein oberes Bein befindet sich hinter dem Stab anstatt auf derselben Linie.“

 Céleste sah ein, dass Sergej recht hatte. Es war nur eine winzige Abweichung, aber sie war da.

 „Stell dir vor, du machst einen Spagat und jemand stellt dich dann auf die Fußspitze.“

 Das war leicht gesagt. Sie verstand zwar, was Sergej von ihr wollte, aber es zu tun, war etwas anderes. Sie beugte sich noch ein Stück weiter nach unten, machte ein Hohlkreuz und zog das Bein nach. Ein reißender Schmerz fuhr ihr durch die Leiste.

 „Ah!“, jammerte sie.

 „Hör auf“, kommandierte er. „Die Bänder mit Gewalt zu überdehnen, nutzt gar nichts. Wir machen es anders. Komm mit.“

 Céleste nahm die Spannung Stück für Stück zurück, bis sie so weit aufgerichtet war, dass sie das gestreckte Bein wieder beugen konnte. Der Schmerz ließ unmittelbar nach. Was für eine Wohltat! Sie befreite sich von dem Gummiband und ging zu Sergej, der vor einem Spiegel stand.

 „Geh in den weiten Grätschstand!“

 Céleste kniete sich auf den Boden, stützte sich mit Armen und Händen ab und grätschte die Beine, so weit sie konnte. Ihr Körper schwebte, von den Armen gestützt, in der Luft, die Schenkel bildeten zusammen mit dem Parkettboden ein flaches Dreieck. Sie schaute in den Spiegel, Sergej stand hinter ihr, konnte sie sowohl von vorn als auch von hinten betrachten. Die Tatsache, dass sie ihm ihre Kehrseite in einer Position entgegenstreckte, die geradezu nach Sex schrie, sorgte dafür, dass sich das Prickeln in ihrem Bauch wieder einstellte. Verdammt! Wieso hatte sie ständig diese Gedanken? Sie waren hier absolut fehl am Platz!

 „Du wirst jetzt mehrmals tief ein- und ausatmen und dich dann, wenn ich es sage, in den Grätschsitz absenken. Verstanden?“

 „Ja, ist gut“, antwortete sie und hoffte, Sergej bemerkte ihre innere Unruhe nicht. Gedankenlesen konnte er zum Glück ja nicht!

 „Also: Fang an!“

 Céleste konzentrierte sich auf ihre Atmung. Einatmen, bis in den Bauch, kontrolliert wieder ausatmen und von vorn. Einatmen … Sie beobachtete im Spiegel das Heben und Senken ihrer Bauchdecke und sah, dass Sergej es ebenfalls beobachtete.

 „Jetzt!“, befahl er nach der fünften Wiederholung.

 Céleste atmete aus und senkte ihr Becken auf den Boden. Bis hier war es leicht. Abwartend blickte sie im Spiegel in Sergejs Gesicht. Der nahm den Holzstab und legte ihn hinter ihr auf den Boden. Céleste blickte zur Seite und sah in der anderen Spiegelwand, dass der Stab ihre Unterschenkel vollständig berührte, aber nicht die Oberschenkel. Er fuhr fort, ihr Instruktionen zu geben, wie sie atmen und sich bewegen sollte. Und tatsächlich: Nur wenige Minuten später lag sie bäuchlings auf dem Boden und ihre Beine bildeten eine kerzengerade Linie. Sergej umrundete sie. Einmal mehr bemerkte sie, wie sehr es sie erregte, wenn er sie auf diese Art und Weise inspizierte. Immerhin befand sie sich in einer äußerst hilflosen Position, ihm ausgeliefert – wenn er es wollte. Sah er es denn nicht? Ließ dieser Anblick sein dominantes Herz so kalt? Leider konnte sie wegen des Suspensoriums nicht erkennen, ob ihn ihr Anblick in irgendeiner Art stimulierte.

 „Du kannst dich kurz entspannen, wiederhole die Übung dann noch drei Mal, ich bin gleich zurück“, sagte er und verließ den Raum.

 Nicht die kleinste Gefühlsregung war in seiner Stimme wahrnehmbar. So viel also zu Stimulation. Pah! Genauso gut hätte er mit einer Wand sprechen können!

 Ihr entfuhr ein frustrierter Laut. Es zerrte an ihren Nerven, dass er sie derart ignorierte. Er schien sie weder als Frau noch als potenzielle Sub wahrzunehmen. Das Letzte konnte sie noch verstehen. Woher sollte er es wissen? Aber dass sie ihn als Frau kaltließ, wurmte sie von Woche zu Woche mehr. Dabei wäre es so leicht für ihn, sie sich gefügig zu machen. Eine Berührung, ein Wort von ihm würde genügen und er könnte mit ihr tun, was immer er wollte.

 Céleste kniete sich erneut in den weiten Grätschstand, atmete bewusst ein und aus, bevor sie das Becken absenkte. Warum nur stellte sie sich schon wieder vor, wie es sich anfühlte, wenn sein Penis in sie eindrang? Wie er wohl aussah? Es war so unglaublich lange her, dass sie einen harten Schwanz in sich gehabt hatte. Sie vermisste dieses Gefühl. Und sie wollte, dass Sergej derjenige war, der seinen Schwanz schonungslos in sie schob.

Sie beugte den Oberkörper nach vorn, wiederholte noch einmal die Übungen, die er ihr aufgetragen hatte – aber ihre Gedanken kreisten immer nur um das eine Thema: Wie konnte sie ihn dazu bringen, sie zu seiner Dienerin zu machen? Sie lag ausgestreckt auf dem Boden, die Beine gespreizt, ihre Scham exponiert wie ein Appell an ihn, sie zu nehmen. Wenn er sie doch nur einmal unzüchtig berühren würde! Céleste seufzte. Sie war in Sergejs Gegenwart meist so erregt, dass es schon genügen würde, ihr mit der Hand über den Hintern zu streicheln, damit sie laut aufgestöhnt hätte. Aber er tat nie etwas Derartiges. Eine flüchtige Berührung mit seiner Hand an Rücken oder Schulter war das höchste der Gefühle. Immer hielt er penibel Abstand, vermied jede Berührung. Als hätte sie die Krätze! Zum Verrücktwerden! Darüber hinaus war es demütigend. Sie schnaufte verdrießlich. Wenn es das war, was er wollte, hatte er sein Ziel erreicht. Und trotzdem: Sie war sich sicher, dass er ihr vorhin auf den Hintern gestarrt hatte. Bei der Erinnerung daran kribbelte es erneut in ihrem Bauch.

 „An die Stange!“

 Seine Stimme ließ sie vor Schreck zusammenfahren. Sie hatte ihn nicht kommen gehört, so sehr war sie in Gedanken versunken gewesen. Seinem Wunsch Folge leistend, schritt sie quer durch den Raum zur Barre.

 „Willst du es mit oder ohne Deuserband probieren?“

 „Ohne“, antwortete sie kurz angebunden.

 „Gut. Fang an!“

 Unter Sergejs kritischen Augen nahm Céleste die Ausgangsposition an der Stange ein, der linke Arm beschrieb einen Halbkreis auf Schulterhöhe. In einer geschmeidigen Bewegung beugte sie sich nach vorn, den linken Arm dabei ebenso ausstreckend wie das linke Bein. Sie verfolgte die Bewegung im Spiegel und hielt inne, als beide Beine eine aufragende Linie bildeten. Ob Sergej bemerkte, wie anmutig sie jetzt aussah?

 Sie suchte seinen Blick und meinte, etwas wie ein Leuchten darin wahrzunehmen. Was hatte das zu bedeuten? War er zufrieden mit ihr? Selbst über eine kleine Anerkennung hätte ihr Herz gejubelt. In den ganzen letzten Wochen hatte er sie nicht ein einziges Mal gelobt, sondern maximal beifällig genickt, wenn sie eine Übung korrekt ausgeführt hatte.

 Er sagte jedoch nichts, sondern holte den Stab und legte ihn an ihr Standbein. Céleste atmete hörbar ein. Ob Zufall oder Absicht, vermochte sie nicht zu sagen, aber seine Hand berührte sie beim Anlegen des Stabs an der Innenseite des Oberschenkels. Unmittelbar neben ihrem zur Schau gestellten Schritt. Ein Prickeln durchlief sie in einer sanften Welle, dem sie leise seufzend hinterherspürte.

 „Tue ich dir weh?“, fragte er.

 Herrgott! Merkte dieser Mann denn gar nichts? Kannte er den Unterschied zwischen einem Seufzen vor Lust und dem eines vor Schmerzen nicht?

 „Nein“, flüsterte sie benommen. „Ich …“

 „Gut“, unterbrach er sie leidenschaftslos. „Deine Haltung ist in Ordnung. Nimm jetzt die andere Seite.“

 Ich finde es so schön, wenn deine Hand mich dort berührt, hätte sie am liebsten zu ihm gesagt. Wie üblich aber war er ihr zuvorgekommen und hatte, was immer sie sagen wollte, im Keim erstickt. Céleste drehte sich, ihre Enttäuschung niederkämpfend, um die eigene Achse. Ihre Augen brannten plötzlich. Sie blinzelte hektisch, um sich nichts anmerken zu lassen. Jetzt nur nicht anfangen zu heulen! Das fehlte noch! Sie tat so, als hätte sie etwas im Auge und rieb die Träne weg. Dann nahm sie die Ausgangsposition für den Penché ein.

 Die Streckung gelang ihr mühelos und als Sergej den Holzstab erneut ansetzte, um ihre Haltung zu überprüfen, traute sie ihren Ohren nicht.

 „Sehr gut“, lobte er sie. „Entspann dich. Ich möchte eine Schrittfolge mit dir üben, in die wir den Penché einbauen. Sieh her!“

 Er hatte sie gelobt! Sie konnte es nicht fassen! Céleste lächelte ihn dankbar an. Sehr gut, hatte er gesagt, aber in ihren Ohren klang es schöner als eine Liebeserklärung. Sie nahm eine normale Haltung ein und schaute zu, als Sergej ihr die Schrittfolge vortanzte. Aus einem Demi-plié heraus verbeugte er sich und führte eine Drehung aus. Es folgte Spitzentanz … Sie stutzte. Die Sprünge und Drehungen kannte sie doch!

 „Das ist ja mein Tanz!“, platzte es aus ihr heraus.

 „Und?“, fragte er, die Augenbrauen hochziehend.

 Ihr blieb vor Staunen der Mund offen stehen. „Kann es sein, dass du dir den kompletten Tanz gemerkt hast?“

 „Wieso nicht? Was ist daran so ungewöhnlich?“

 „Nach nur einmal vortanzen?“ Céleste war mehr als verblüfft. Sie konnte es nicht glauben. Sich Schrittfolgen zu merken, war eine Sache, aber eine ganze Choreografie? Nach nur einmaligem Ansehen?

 „Das ist nichts Besonderes für mich. Jede Choreografie erzählt eine Geschichte. Das ist für mich so normal, als wenn ich ein Buch lese. Und außerdem merke ich mir immer, was mir gefällt.“

 Ich merke mir immer, was mir gefällt. Er sagte das so lapidar, als hätte er ihr lediglich einen schönen Tag gewünscht und nicht etwa ein großes Kompliment gemacht. Vor Freude und Erregung krampfte sich ihr Magen zusammen. Was war denn heute nur mit ihr los?

„Und welche Geschichte hat dir mein Tanz erzählt?“, fragte sie aufgeregter, als sie es wollte.

 „Deine Geschichte ist ein Flirt. Ein Werbetanz um Lust und Hingabe.“

 Sie starrte ihn wie vom Donner gerührt an. Er hatte es mit wenigen Worten auf den Punkt gebracht. Aber wie konnte er so nüchtern dabei bleiben? So unterkühlt? In diesem Moment wünschte sie sich, sie könnte ihm durch einen Tanz begreiflich machen, dass sie sich nichts sehnlicher wünschte, als sich ihm hinzugeben.

 „Ein Pas de deux“, fuhr er seelenruhig fort.

 Gott! Seine stoische Ruhe machte sie wahnsinnig!

 „Und genau das üben wir jetzt.“ Er winkte sie mit dem Zeigefinger zu sich. „Préparation!“

 Céleste stellte sich neben ihn, tat, was er verlangte.

 „Wir tanzen es einmal trocken, danach mit Musik.“

 „Wir?“

 Heute war wohl Weihnachten? Er hatte noch nie etwas zusammen mit ihr getanzt, ließ ihr aber keine Zeit, länger über seine Worte nachzudenken.

 „Ja, wir. Ich improvisiere. Auf drei: eins … zwei … drei!“

 Auf sein Kommando hin verbeugte sie sich, ließ den Arm elegant seitlich nach hinten schwingen, richtete sich auf und hob sich auf die Fußspitzen. Sie tänzelte, sich in engen Kreisen um die eigene Achse drehend, von Sergej weg. Im Spiegel sah sie, dass er ihr folgte, sie mit Sprüngen einzuholen versuchte. Jedes Mal lief er jedoch, kurz bevor er sie erreichte, ins Leere, weil sie die Richtung änderte. Als sie an die Stelle kam, an der sie den Penché ausführen sollte, war Sergej jedoch wie durch Zauberhand am richtigen Platz – und kniete vor ihr. Sie streckte das Bein – wie zuvor an der Barre geübt – kerzengerade nach oben und beugte sich weit nach unten. So weit, dass ihr Gesicht nur einen Hauch von seinem entfernt war. Seine Hände schlossen sich spontan um ihre Taille und hoben sie ein paar Zentimeter hoch, sodass sie quasi über ihm schwebte – nur von seinen Armen gestützt.

 Für die Dauer eines Flügelschlags verhakten sich ihre Blicke ineinander. Goldenes Feuer brannte in seinen Augen, ein Feuer, von dem sie den Blick nicht abwenden konnte. Spannung lag urplötzlich in der Luft. Es kam ihr vor, als wäre die Welt zum Stillstand gekommen. Er war ihr so nah, dass sie seinen Atem an ihrer Wange fühlen konnte. Ein Schauer lief über ihren Rücken und ihre Härchen richteten sich auf. Sein unverwechselbarer Duft stieg ihr in die Nase. Er roch so gut. Ein wenig holzig-süßlich mit orientalischen Anklängen. Warm und samtig wie Zimt mit Honig. Es machte sie trunken, hüllte ihre Sinne in einen Duft aus Leidenschaft. Erstaunt stellte sie fest, dass ihre Lippen vor Nervosität bebten und ihr Mund sich ein wenig öffnete. Céleste war sicher, ihr stand die Erregung ins Gesicht geschrieben. Nur, was aus seinen Augen sprach, konnte sie nicht erfassen.

 Sie blinzelte – und die Welt drehte sich weiter. Sergej stellte sie auf die Fußspitze, sagte kein Wort, sondern nickte nur anerkennend. Wie immer, wenn sie etwas richtig gemacht hatte. Sie richtete sich auf, Sergej erhob sich. Er verließ den Saal und kam mit dem Laptop zurück. Céleste sah ihn mit den Fingern auf dem Touchpad herumfahren.

 „Das Gleiche noch mal! Dieses Mal bis zum Schluss“, sagte er Haltung annehmend. „Ausgangsposition!“

Céleste bereitete das Demi-plié vor und wartete auf den Einsatz. Als der erwartete Akkord erklang, verbeugte sie sich und hob sich auf die Zehenspitzen. Es lief ab wie zuvor: Jedes Mal, wenn Sergej ihr zu nahe kam, machte sie einen Richtungswechsel, sodass er sie knapp verfehlte. Bis zu dem Penché, bei dem sie sich zu ihm hinunterbeugte. Diesmal aber gab es keine Zeit, sich in die Augen zu sehen, denn die Musik trieb sie unerbittlich weiter. Schließlich kam die Schlusssequenz, bei der sie, eine Pirouette nach der anderen drehend, quer durch den Saal schwebte. Am Ende der imaginären Linie wartete er auf sie. Mit der letzten Pirouette fiel sie in seine Arme und führte den Cambré über seinem Arm aus. Schwer atmend hielt sie die Position und blickte in Sergejs Gesicht. Sein Körper war über ihren gebeugt und sein Brustkorb hob und senkte sich nicht minder als ihrer. Er war ebenfalls außer Atem. Länger als unbedingt nötig hielt er sie in dieser Position, fixierte sie mit den Augen. Sein Blick bohrte sich in sie hinein. Sie konnte ihn fühlen. In ihrem Herzen. Und in ihrem Schoß. Wieder lag Spannung in der Luft. Der Moment dehnte sich ins Unendliche. Ihre Augen wanderten zu seinem Mund und wieder zurück. Küss mich, dachte sie. Küss mich!